von Paula Küppers
„Erklär mal, letztens habe ich geträumt, dass mein Freund mich betrügt! Was bedeutet das?“ Wenn ich erzähle, dass ich Psychologie studiere, ist die Frage, ob ich Träume analysieren kann, eine der häufigsten Reaktionen (gleich nach „Und, was denke ich gerade?“). Natürlich wisst ihr bestimmt, dass man im Studium keinen Traumdeutungs-Guide bekommt. Die Frage, was unsere Träume bedeuten, und warum wir überhaupt träumen, ist bis heute eines der größten Rätsel der Wissenschaft. Trotzdem gibt es aber auch Träume, die fast jeder Mensch kennt, zum Beispiel eine Prüfung ablegen, Fliegen oder verfolgt werden. Was hat das zu bedeuten? Sind das Symbole? Und sagen deine Träume etwas über dich aus?
Kurze Geschichte der Traumdeutung
Die Menschheit träumt schon, seit es sie gibt - und genau so lange fragt sie sich schon, was die verworrenen Bilder, die einem nachts durch den Kopf schießen, zu bedeuten haben. Man dachte in der Antike und im Mittelalter, Träume würden die Zukunft vorhersagen oder seien Nachrichten von Gott. Anfang des letzten Jahrhunderts erschien Sigmund Freud dann tatsächlich mit einem Traumdeutungs-Guide auf der Bildfläche. Dass der heute nicht im Psychologie-Studium vorkommt, liegt daran, dass er mit Wissenschaft nicht viel zu tun hat (wie auch Manches andere, was der Sigmund so von sich gab, aber dieses Fass wird in einem anderen Blogpost aufgemacht). Freud schrieb, dass Träume Symbole sind, zum Beispiel für sexuelle Bedürfnisse aus dem Unterbewussten, die im Traum verschleiert werden müssen, weil sie einem zu unangenehm sind.
Er erklärte, dass Möbel und Häuser für Frauen stehen, spitze Objekte dagegen für Männer (weil Frau = passiv und Mann = aggressiv und so). Ganz wild fand ich das hier: „Laut Freud symbolisiert die Eingangstür die Vagina und die Hintertür den Anus. Das Öffnen der jeweiligen Tür im Traum steht demnach für den entsprechenden Geschlechtsakt.“ Diese Behauptungen hat er einfach so aufgestellt, ohne irgendwelche Beweise dafür zu haben. Trotzdem ist „Die Traumdeutung“ von Sigmund Freud eines der bedeutendsten Bücher des 20. Jahrhunderts und stellt die ersten Grundlagen für die Psychoanalyse dar. Auch heute glauben noch viele Leute an den Symbolwert von Träumen, hier oder hier kann man sich das mal anschauen, ist ganz lustig.
Träume heute
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Traumdeutung, wie gesagt, eigentlich nicht haltbar. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass Träume deine sexuellen Wünsche verschleiern, oder dass es universelle Symbole für das Unterbewusste gibt, so wie Freud das vermutete. Vor gar nicht so langer Zeit war die gängige Meinung in der Wissenschaft, dass Träume einfach nur zufällige Bilder sind, die beim wilden Feuern von Neuronen im Gehirn entstehen- „Träume sind das Geräusch, das ein Gehirn erzeugt, das arbeitet“, sagte ein berühmter Neurologe einmal.
Mittlerweile kann man das aber auch nicht mehr so pauschal sagen. Träume haben wohl doch etwas mit deiner Psyche zu tun. Forscher fanden nämlich heraus, dass beim Träumen zwei Stellen im Gehirn besonders aktiv sind: Über dem Ohr und hinter den Augen. Diese Stellen sind jeweils für räumliche Vorstellung und für Motivation zuständig- deine Wünsche und Ängste spielen also doch auch eine Rolle in deinem Traum.
Wie kommt denn jetzt der Traum zu Stande?
Dein Traum kommt daher, dass die Dinge, die dir nachts im Kopf rumspuken, von deinem Gehirn bebildert werden. Das kennst du vielleicht auch, wenn du tagsüber die Augen schließt, und einfach deinen Gedanken freien Lauf lässt- manchmal hat man dann Bilder vor seinem „inneren Auge“. Wenn du zum Beispiel daran denkst, dass du morgen Einkaufen musst, siehst du vor dir den Rewe. Im Traum funktioniert das ähnlich, aber eben nicht so „straightforward“: Es fließen viele verschiedene Bilder ein, die dein Gehirn zum Beispiel mit Erfahrungen verbindet, die du am Tag gemacht hast, mit Plänen für die kommenden Tage, neu gelerntem oder auch mit aktuellen Bedürfnissen wie dem Gang zur Toilette. „Wir träumen von Dingen, die uns tagsüber beschäftigen“, sagt Michael Schredl, Deutschlands führender Traumforscher.
Welche Bilder mit den Gefühlen und Gedanken assoziiert werden, ist individuell unterschiedlich. Wenn du Harndrang hast, suchst du im Traum vielleicht nach einer Toilette, jemand anders träumt von einem Meer. Wenn du Angst vor einer bevorstehenden Matheprüfung hast, träumst du vielleicht von einer Verfolgungsjagd durch die Bibliothek, weil du diesen Ort mit Mathelernen assoziierst. Ein anderer würde vielleicht von etwas ganz anderem träumen, das er mit Mathe verbindet. So erklärt sich auch, warum es bestimmte Träume gibt, die jeder kennt: Fliegen oder verfolgt werden. Diese Situationen werden einfach von vielen Menschen mit dem Gefühl „Angst“ assoziiert. "In typischen Träumen geht es um Grundthemen des Wachlebens, die bei fast allen Menschen in der einen oder anderen Form vorkommen", sagt Schredl. "Die Bebilderung ist individuell, aber ein Grundmuster zu erkennen."
Dein persönlicher Traumdeutungs-Guide
Und jetzt sind wir endlich beim Knackpunkt angekommen: Niemand anders kann dir sagen, was deine Träume bedeuten, denn andere
Leute assoziieren nicht dieselben Bilder mit den Themen, die dich beschäftigen. Nur du selbst kannst wissen, was der Traum für dich bedeutet! Bleiben wir mal beim Beispiel vom Anfang: Wenn du träumst, dass dein Freund dich betrügt, kann das viele verschiedene Gründe haben. Am besten denkst du nach, welche Gefühle du im Traum hattest und ob dich in letzter Zeit etwas beschäftigt hat, was ähnliche Gefühle auslöst. Hast du dich sauer gefühlt? Vielleicht hat dein Freund ja an diesem Tag etwas gemacht, was dich geärgert hat. Oder machst du dir in letzter Zeit Sorgen, hintergangen zu werden? Dann hatte der Traum vielleicht gar nichts mit deinem Freund zu tun, sondern zeigt nur, dass dein Gehirn sich auch nachts mit dieser Angst auseinandersetzt. Wenn du im Traum überhaupt kein negatives Gefühl hattest, solltest du ihm auch nicht zu viel Bedeutung beimessen.
Träume sind also nicht nur wilde Nervensignale, wie Wissenschaftler noch vor einiger Zeit dachten- aber sie sind leider auch nicht so einfach zu interpretieren, wie Freud das vorgeschlagen hat. Auf jeden Fall lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen, was nachts so in deinem Kopf passiert- vielleicht findest du ja mehr darüber heraus, was dich tagsüber beschäftigt! Übrigens: Wenn du dich morgens nicht mehr an deine Träume erinnern kannst, hilft eine ganz einfache Sache. Leg dir vor dem Einschlafen Stift und Papier neben das Kopfkissen- allein die Intention, sich das Geträumte aufzuschreiben, hilft schon der Erinnerung.
Natürlich ist das alles sehr heruntergebrochen und stellt nur einen kleinen Teil der Traumforschung dar. Auf die Funktion von Träumen, also warum es Träume überhaupt gibt, wollen wir in einem anderen Blogpost genauer eingehen. Wenn du mehr über das Thema wissen willst, schau mal auf unserem Instagram Kanal vorbei und abonnier den Newsletter. Ich würde mich über Feedback sehr freuen!
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