von Nele Franzen
An dieser Stelle würde ich gerne direkt eine #triggerwarnung aussprechen, dass der folgende Beitrag um Depression handelt. #tw: Depressionen, Suizid
"Stell dich nicht so an", "Menschen, die sich w i r k l i c h umbringen wollen, würden das niemals öffentlich sagen", "Ach, du steigerst dich da rein". "Du kannst keine Depressionen haben, du lachst ja auch" - typische Sätze, mit denen sich ein gegen Depressionen kämpfender Mensch herumschlagen muss. Richtig gelesen: Kampf. Denn genau das sind Depressionen: Ein ständiger und täglicher Kampf mit sich selbst und der Umgebung.
Ich würde behaupten, dass die Depression zu den psychischen Krankheiten mit dem größten Stigma gehört. Ich glaube, dass viele Menschen denken, sie wüssten, was Depressionen sind - einfach nur dadurch was man so in der Gesellschaft aufschnappt und einem übermittelt wird: "Das ist doch diese Krankheit wo man ständig ohne Grund traurig ist, oder?" Die traurige Wahrheit ist aber, dass der Großteil nicht weiß, was Depressionen sind, dass Depressionen eben nicht nur Traurigkeit sind, und schon gar nicht ohne Grund. Dadurch wissen Angehörige oft nicht, wie sie mit Betroffenen umzugehen haben und was man tun kann, um Betroffenen zu helfen. Das soll gar kein Vorwurf an den Leser sein: Woher soll man das Wissen haben, wenn die Gesellschaft schweigt und nicht aufklärt?
Was sind Depressionen?
Depressionen gehören zu den affektiven Störungen. Psychische Krankheiten, die in diese Kategorie fallen, haben eine Gemeinsamkeit: Eine klinische bedeutsame Veränderung der Stimmung. Betroffene spüren die meiste Zeit am Tag, und das fast jeden Tag, eine Veränderung der normalen Funktion eines selbst. Wie macht sich die Veränderung der Stimmung bemerkbar? Zu den Symptomen gehört die depressive Stimmung. Eine depressive Stimmung ist wenn man sich traurig, leer und hoffnungslos fühlt - fällt euch etwas auf? Das kennt doch jeder. Jeder hat Tage an denen er sich traurig, leer und hoffnungslos fühlt, also was unterscheidet eine depressive Stimmung von einer Depression? Da eine Depression eben nicht nur "Traurigkeit" ist, reicht dieses Symptom alleine nicht aus um mit einer Depression diagnostiziert zu werden. Zu den Stimmungsveränderungen gehören außerdem, vermindertes Interesse und Vergnügen an alltäglichen Situation - zum Beispiel mit Freunden Essen gehen, ein Kinobesuch oder ein Spieleabend mit der Familie. Situationen, die jedem normalerweise Freude und Energie bringen, sind für Betroffene undenkbar. Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme, Schlafstörungen, Psychomotorische Erregung oder Retardation, und Erschöpfung sind zusätzliche Symptome die Auftreten können. Zu den körperlichen Symptomen kommen zusätzliche kognitive Symptome: Gefühle der Wertlosigkeit, exzessive und unangebrachte Schuldgefühle, Konzentrationsschwierigkeiten, und wiederkehrende Gedanken über den Tod, sowie die Idealisierung zu Sterben, Selbstmordversuche oder ein spezifischer Plan Selbstmord zu begehen.
Um mit eine Depression diagnostiziert zu werden müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein: (A) ein Symptom muss depressive Stimmung oder vermindertes Interesse und Vergnügen an jeglichen Aktivitäten sein. (B) Alle oben genannten Symptome müssen klinische signifikante Verzweiflung oder Einschränkung im sozialen Leben auslösen und (C) die Symptome werden nicht durch eine andere Krankheit erklärt.
Was bedeutet das für dich als außenstehende Person?
Da jeder Mensch individuell ist, äußern sich die Symptome natürlich auch individuell. Jemand, der unter Depressionen leidet, kann z. B. eine depressive Stimmung, Schlafstörungen, Gewichtsverlust und Konzentrationsschwierigkeiten haben aber denkt nicht an Suizid (Selbstmord), hat kein vermindertes Selbstwertgefühl und hat keinen Plan Suizid zu begehen. "Nur" weil manche Symptome nicht auftreten, bedeutet das nicht, dass die Depression weniger schlimm ist oder weniger ernst genommen werden kann. Sondern es bedeutet, dass die Depression sich bei dieser einen individuellen Person, wie beschrieben, äußert. Gerade weil Depressionen so individuell sind, siehst du einer Person eben nicht unbedingt an, dass sie total leidet und innerlich ganz leer ist. Es können Personen sein mit denen du dich gestern ganz normal unterhalten und gelacht hast. Viele Betroffene reden auch nicht über ihre Krankheit. Nur weil sie das nicht tun, bedeutet das aber nicht, dass die Depression nicht existiert. Genau dasselbe gilt aber auch andersherum- nur weil jemand viel über seine Symptome redet, bedeutet das nicht, dass die Person keine Depression hat. Dass jemand unter Depressionen leidet bedeutet nicht, dass er nicht erfolgreich in seinem Job ist, oder Karriere macht.
Woher kommen Depressionen?
Ich glaube, gerade Depressionen werden in unserer Gesellschaft stigmatisiert, weil die meisten Leute nicht wissen, woher Depressionen kommen, oder was die unterliegenden Mechanismen einer Depression sind. Zum einen gibt es Risikofaktoren wie zum Beispiel das Alter oder das Geschlecht. Frauen sind doppelt so häufig von Depressionen betroffen. Ein weiterer Risikofaktor ist, dass manche Menschen genetisch prädisponiert sind, das bedeutet, dass sie eine genetische Veranlagung haben, an Depressionen zu erkranken. Traumata, Schicksalsschläge, das Wetter, Stress und körperliche Krankheiten (welche, die die Lebensqualität erheblich vermindern) sind weitere Gründe weshalb jemand eine Depression entwickeln kann. Klingt ja alles nach Gründen die man schon kennt, oder sich zumindest vorstellen kann. Was viele von euch bestimmt nicht wissen, ist, dass Betroffene Menschen oft einen Serotoninmangel haben.
Was ist Serotonin und wofür brauchen wir es?
Serotonin ist ein Neurotransmitter, der sämtliche Prozesse im Gehirn beeinflusst. Serotonin beeinflusst Emotionen, das Zentrale Belohnungssystem, Stimmung und Antrieb, und den Schlafrhythmus. Ich bin mir sicher, viele von euch haben den Begriff Neurotransmitter schon gehört. Für die die nicht wissen, was ein Neurotransmitter ist, ihr könnt euch das so vorstellen: Damit die verschiedenen Nerven (Neuronen) im Gehirn miteinander kommunizieren können, gibt es Neurotransmitter, die wie kleine Flugzeuge von Zelle zu Zelle fliegen und gewisse Prozesse beeinflussen. Hat man aber zu wenige Serotonin-Flugzeuge, die das Gehirn mit Serotonin beliefern, können die Prozesse nicht wie gewohnt ablaufen, sondern müssen sich mit einer niedrigeren Lieferung abfinden. Dadurch entstehen Symptome wie depressive Stimmung, vermindertes Interesse an Aktivitäten, Schlafstörungen und Erschöpfung.
Wie kannst du helfen?
Das wichtigste ist, den Menschen, die Krankheit und die Symptome ernst zu nehmen. Gerade weil es eine biologische Erklärung für die depressive Stimmung gibt, sollte es Vorurteile wie "Ach, die redet sich das nur ein" oder "stell dich nicht so an", nicht geben.
Wenn ihr jemanden kennt, der unter einer Depression leidet, dann versucht die Person zu unterstützen, helft ihr, Therapiemöglichkeiten zu finden.
Seid geduldig, manchmal kann ein Betroffener nicht anders als den ganzen Tag im Bett liegen. Nehmt das nicht persönlich, nicht ihr seid der Feind!
Seid vorsichtig mit gut gemeinten Ratschlägen. Anstatt die betroffene Person über die eigene Krankheit aufzuklären, informiert euch, wie ihr helfen könnt. Sätze wie "Du musst einfach mal eine Auszeit nehmen" oder "Reiß dich zusammen", sind meistens kontraproduktiv, weil sie Symptome wie Schuldgefühle nur verstärken. Dafür könnt ihr aber jedes mal wenn der Betroffene Eigeninitiative zeigt ihn bestärken und unterstützen. Auch Sätze wie: "Ach, das schaffst du schon", sollten vermieden werden, es ist lieb gemeint aber Betroffene fühlen sich durch solche Sätze oft nicht ernst genommen, da sie es nämlich nicht eben so schaffen.
Überfordert euch nicht selbst, ihr könnt nicht die Verantwortung übernehmen! Dasselbe gilt für Suizidgedanken. Äußert jemand Suizidgedanken, dann nehmt diese auf jeden Fall ernst und sucht umgehend ärztliche Hilfe. Ihr seid nicht geschult, jemanden mit Suizidgedanken aufzufangen. Das ist auch völlig in Ordnung, behaltet einfach im Hinterkopf wie ihr helfen könnt.
Und zu guter letzt "Do not judge!" - Betroffene sind sowieso schon in Mitten eines Kreislaufs aus negativen Gedanken, Schuldgefühlen und Hoffnungslosigkeit.
Ich hoffe ich konnte euch mit diesem Beitrag ein klareres Verständnis über die Krankheit geben. Nochmal: dieser Beitrag ist kein Vorwurf an den Leser, ich verstehe und weiß, warum es so viele Menschen gibt, die nicht wissen, was eine Depression genau ist, und das liegt nicht an euch als Person sondern an unserer Gesellschaft, die solche wichtigen Themen leider oft totschweigt. Über die Behandlungsmöglichkeiten werden wir in einem weiteren Beitrag aufklären. Ich wollte erstmal Depressionen generell erklären, damit wir in einem weiteren Beitrag detailliert darauf eingehen können wie sich Betroffene helfen können.
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